Yatagan (1976) ist ein wildes Duft-Biest, das der Caron-Parfümeur Vincent Marcello wie einen Dschinn in einen Flakon gezwängt hat. Wer diesen Flaschengeist in die Freiheit entlässt, muss sich auf die volle Wucht eines orientalisch-ledrigen Chypre gefasst machen. Man liebt ihn oder man hasst ihn – eine andere Wahl lässt einem dieser Herrenduft kaum.
Caron Yatagan – eine scharfe Klinge
Yatagan bezeichnet einen osmanischen Säbel mit leicht S-förmig gebogener, einschneidiger Klinge, der vom 16. Jahrhundert bis ins frühe 20. Jahrhundert von der türkischen Infanterie geführt wurde. Der Name geht auf die gleichnamige türkische Stadt im Südwesten des Landes zurück. Doch was hat ein Säbel mit einem Parfum zu tun? Ist der Duft so tödlich?
Die Geschichte hinter dem Herrenduft erschließt sich erst, wenn man sich die Original-Werbekampagne aus den 70er Jahren ansieht. Da galoppiert eine wilde Horde osmanischer Krieger mit gezückten Klingen auf ihren Pferden durch eine staubige Steppen-/Wüstenlandschaft, während die Sonne erbarmungslos vom Himmel brennt. Und dieses orientalische Duftkino will das Parfum offensichtlich bedienen.
Blumenlose Kühnheit
Noch zwei Vorbemerkungen: Die Duftkomposition war in dieser Form wohl nur in den 1970er Jahren denkbar. Und das liegt keineswegs an den vermeintlich „wilden Siebzigern“. Damals waren Herrendüfte noch exklusive Produkte, die nur einen vergleichsweise kleinen Kundenkreis ansprachen. Diese Kundschaft verlangte nach ausdrucksstarken Düften, die die eigene Originalität unterstrichen. Dieser Umstand beflügelte den Wagemut der Parfümdesigner.
Nur zehn Jahre später war der Parfummarkt ein Massengeschäft, das anderen Gesetzen gehorchte. Wer hier überleben will, tut gut daran, möglichst massentaugliche Düfte zu entwickeln, die niemanden vor den Kopf stoßen. Bloß nicht anecken, lautet die Devise.
Zweitens: Caron betonte bei der Veröffentlichung, dass Yatagan ein „blumenloses“ Parfum sei. Warum war das erwähnenswert? Eine sehr ausgeprägte, blumige Herznote war seit den Zeiten des Gründers Ernest Daltroff quasi das Erkennungszeichen vieler Caron-Düfte, also das, was der Kunde beim Kauf erwartete. Insofern macht diese „Warnung“ durchaus Sinn.
Scharfe Kräuter und getrocknete Blumen
Yatagan beginnt mit einer Mischung aus würzigen und aromatischen Kräutern. Manche erkennen einen auffälligen Sellerieakkord, der sich durch Kopf- und Herznote zieht. Wahrscheinlich handelt es sich eher um den markanten Duft von Artemisia, einer Pflanzengattung, zu der auch Wermut, Beifuß und Stabwurz gehören.
Caron behauptet zwar, dass das Parfum ganz ohne Blumendüfte auskommt. Doch in der Herznote sind durchaus Noten von Geranie, Jasmin und Nelke zu erkennen. Den üblichen Blütenzauber floraler Düfte darf man von Yatagan allerdings nicht erwarten.
Vielmehr muss man sich einen Blumenstrauß vorstellen, der seit Monaten ohne Feuchtigkeit von der Decke baumelt. Ein staubtrockener Blütenduft, der durch die Beimischung von Patchouli und Vetiver noch verstärkt wird.
Die reine Essenz des Leders
Der Herrenduft ist schon bis zu diesem Punkt ein wahres olfaktorisches Abenteuer für die Nase. Die Basisnote sorgt dann für den letzten Kick. Zunächst verdrängt ein Schwall aus erdigem Moos, Harz und holzigen Noten die Kräuter- und Blütennoten. Von einem Dachboden mit getrockneten Blumen geht es mitten in einen ausgetrockneten Wald, der in der glühenden Sonne steht.
Dann schleicht sich ein Hauch ein, den ich in dieser Form noch nie in einem Parfum gerochen habe. Es ist, als wäre es einem verrückten Chemiker gelungen, den Geruch von pferdeschweißgetränktem Sattelleder als reine Essenz zu destillieren.
Aber das ist noch nicht das Ende von Yatagan. Keineswegs. Die Duftreise endet mit einem Urknall warmer animalischer Noten, dominiert von einem kräftigen Bibergeil-Dunst. Lassen Sie es mich so ausdrücken: Wenn Sie Katzenbesitzer sind – wundern Sie sich nicht, wenn Ihre Mieze spätestens an dieser Stelle völlig ausrastet.
Ein schmutziges Gefühl
Normalerweise empfehle ich jedem, ein Parfüm zu testen, bevor er es kauft. Und zwar nicht auf einem Teststreifen, sondern wirklich auf der Haut. Bei Yatagan empfehle ich das nicht. Bei Yatagan warne ich ausdrücklich davor, dieses Parfum zu kaufen, bevor man diesen Test gemacht hat.
Es ist kein moderner Deodorant-Ersatz wie so viele andere Parfums heutzutage, mit dem man sich den ganzen Tag sauber und frisch fühlt. Yatagan will, dass man sich „schmutzig“ fühlt – natürlich mit allen sinnlich-erotischen Konnotationen.
Ein komplexer Herrenduft
Doch darum geht es gar nicht. Bei Carons Herrenklassiker „Pour Un Homme“ kann ich guten Gewissens sagen: Das sollte jeder Mann einmal probiert haben. Es ist ein klarer, strahlender, reiner Duft. Okay. Natürlich wird es auch Menschen geben, die sich in diesem Duft nicht wiederfinden. Aber es wird nur wenige geben, die den Duft als hochgradig unangenehm empfinden. Oder gar angewidert sind.
Und genau das kann bei Yatagan viel häufiger passieren. Es ist ein komplexer Herrenduft, an dem sich die Geister scheiden. Für die einen ist es ein einziges großes Abenteuer, von dem sie nicht genug bekommen können. Und die anderen stürzen sich panisch unter die Dusche, um sich jedes Molekül einzeln abzuwaschen. Natürlich übertreibe ich ein bisschen. Aber wirklich nur ein bisschen.
Erstaunlich moderat dosiert
Yatagan ist auch nach den Reforulierungen ein Parfum mit überdurchschnittlicher Haltbarkeit. Nach der obigen Beschreibung könnte der Leser annehmen, dass jeder sofort in Ohnmacht fällt, wenn er mit diesem Parfum am Körper den Raum betritt. Dem ist nicht so. Die Duftintensität ist überraschend moderat dosiert.
Erst wenn man in den sprichwörtlichen Dunstkreis anderer Menschen tritt, entfaltet sich die volle Wirkung. Dann aber dürften sich die meisten Menschen tatsächlich nach einem umdrehen. Mit anderen Worten: Yatagan setzt ein gewisses Selbstbewusstsein voraus. Wer nicht auffallen will, sollte die Finger von der Flasche lassen.
Eine Herausforderung
Ich persönlich kann solche Düfte nicht jeden Tag tragen. Das hat aber nichts mit Yatagan im Besonderen zu tun. So geht es mir zum Beispiel auch mit Azzaro Pour Homme, Kouros von YSL oder Amouage Gold, die ich nur ab und zu trage. Das sind alles völlig unterschiedliche Düfte, die nur eines gemeinsam haben: Sie fordern die Geruchsnerven wirklich heraus.
Das wäre mir auf Dauer einfach zu anstrengend. Oder ich hätte Angst, dass mein Geruchssinn mit der Zeit abstumpft. Aber ich kenne Männer, die einen der genannten Düfte zu ihrem Signaturduft gemacht haben. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Probieren Sie es einfach selber aus.
Eine Übersicht über die bei Amazon verfügbaren Angebote zu Caron Yatagan finden Sie hier .
Ähnliche Parfüms
Vergleichbare Düfte sind:
- Phileas von Nina Ricci (1984)
- Eloge du Traitre von Etat Libre d’Orange (2006)
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- Trägt den Nameneines türkischenSäbels mitgebogener Klinge,verbindetorientalische undmaskuline Noten.
- Kopfnote: Pinie,Fenchel,Basilikum
- Herznote: Artemisia,Eichenmoos
- Basisnote: Moschus,Kastoreum,Holz
Duftart | maskulin |
Duftnote | würzig, ledrig, holzig, animalisch |
Kopfnote | Bergamotte, Basilikum, Beifuß, Brunnenkresse, Estragon, Galbanharz, Lavendel, Oregano, Petitgrain |
Herznote | Geranie, Jasmin, Kiefernadeln, Nelke, Patschuli, Vetiver |
Basisnote | Ambra, Bibergeil, Eiche, Eichenmoos, Ladanum, Leder, Moschus, Styrax-Harz, Weihrauch |
Dufthaltbarkeit | lang anhaltend |
Duftintensität | mittel |
Hersteller | Caron |
Parfümeur | Vincent Marcello |
Flakon-Designer | |
Erstmals erschienen | 1976 |
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